Kleine Schätze

Kunstraum Pettneu Innenraum

Der KUNSTRAUM Pettneu als Begegnungsort im Sinne von Peter Sellars
"Kultur ist, was wir miteinander haben"

"Dann zog es mich immer mehr in die Arlberggegend, wo ich in den letzten Jahren vor dem Krieg besonders in der einsam-ernsten Hochgebirgsnatur des Rosannatales bei Pettneu einen überaus liebgewordenen Studienplatz gefunden hatte", schrieb der deutsche Maler Ernst Platz 1919. Über ihn wiederum schrieb A. Steinitzer 1913: "Ernst Platz ist der Klassiker der Darstellung des alpinen Geschehnisses. Er ist unstreitig der vielseitigste unter den alpinen Illustratoren."

1997 fand im Alpinen Museum in München die erste Ernst Platz-Ausstellung nach dessen Tod 1940 statt. Acht Jahre später folgte im KUNSTRAUM Pettneu die erste Ernst Platz-Ausstellung in Österreich. Eine späte (aber nicht zu späte) Erwiderung seiner Zuneigung zum (damals) „stillen Dorf im Stanzertal", bewirkt von einem seiner Bilder, das 92 Jahre nach seiner Entstehung 2001 nach Pettneu "zurückgekehrt" war. Dies ist Erich Mair aus Debant in Osttirol zu verdanken, der das Bild in Thüringen entdeckt und gekauft hatte. Ohne ihn wäre der 1867 in Karlsruhe geborene Ernst Platz in Pettneu wohl endgültig in Vergessenheit geraten, obwohl er von 1908 bis 1932 mit Ausnahme der Kriegsjahre fast jeden Herbst hier verbracht hatte.

Die Zeit ist schwer fassbar. Manchmal scheint sie stillzustehen. Stürmt dann wieder wild dahin. Wuselt herum. Wirft Schatten. Zerrt ins Licht. Oder langt mit langem Arm in die Vergangenheit zurück. Die Zeit hat einen langen Atem. An diesen wohl dachte der österreichische Komponisten und Schriftsteller Ernst Krenek (1900 – 1991), als er seiner Autobiographie den Titel "Im Atem der Zeit" gab. Begegnungen spielen in diesem Buch eine wichtige Rolle.

Zu einem Ort der Begegnungen ist auch der KUNSTRAUM Pettneu geworden. Spuren dieser sozialen Interaktionen sind in den Jahren seit seiner Eröffnung 2005 in verschiedenster Form wahrzunehmen. Für beide Partner interessante Arten der Begegnung sind.

Kleine Schätze

Interventionen

HILDEGUND HAUCK

Ettlingen bei Karlsruhe
Als am 24. Juli 2005 der KUNSTRAUM mit der Ausstellung „Der Bergsteigermaler Ernst Platz" eröffnet wurde, war mit den Leihgebern „Erben Ernst Platz" (Ulrich Hauck aus Kirchheim sowie Hartmut und Friedrich Hauck beim Festakt auch Hildegund Hauck aus Ettlingen bei Karlsruhe anwesend. Als diese mitteilte, sie schenke dem Verein KUNSTRAUM Pettneu als Dank für diese ihrem Großonkel in seinem liebgewordenen Dörflein Pettneu ausgerichtete Ausstellung eines seiner Bilder, war die Freude darüber groß.

Ernst Platz Pettneu

Bildspende von Hildegund Hauck an den Kunstraum Pettneu

Da infolge der wechselnden Ausstellungen eine ständige Präsentation des Bildes im KUNSTRAUM nicht möglich ist, wird es bis auf weiteres in den Räumen des Gemeindeamtes ausgestellt.

Ettlingen bei Karlsruhe – Pettneu am Arlberg: eine schöne Geschichte
Übrigens: Ernst Platz wurde 1867 in Karlsruhe geboren.

Walter Isernhagen

Lübeck, Pettneu im Mai 2021

Kurt Tschiderer berichtet:
Meine Frau warnte mich, eine uns unbekannte Telefonnummer, die auf meinem Handy unter entgangene Anrufe gespeichert war, zurückzurufen. Meine Neugier obsiegte, ich wählte die mir unbekannte Nummer. Der vor 20 Jahren begonnene KUNSTRAUM setzte sich fort:

Ein Herr Walter Isernhagen aus Lübeck meldete sich und begann, als er sich vergewissert hatte, dass er den Obmann Kurt Tschiderer vom Verein KUNSTRAUM Pettneu am Apparat hatte, zu erzählen. Seine zu Weihnachten 2020 verstorbene Frau Renate hätte ihm ein Bild hinterlassen, das diese von ihren Eltern 1944 geerbt hätte. Das Bild stelle die Dorfstraße von Pettneu bei regnerischem Wetter dar, sei mit Ernst Platz signiert und mit 1930 datiert. Bislang hätten ihm weder Maler noch Darstellung etwas gesagt. Er habe, selbst nicht internetfit, seinen Freund und Nachbarn gebeten, im Internet nach „Ernst Platz“ zu suchen. Dabei seien sie auf die Seite des KUNSTRAUM Pettneu gestoßen. Die Angaben, die Werner Ortmann über seine Geschenke an den KUNSTRAUM Pettneu auf dieser Seite gemacht hatte, hätten ihn, Walter Isernhagen, so beeindruckt, dass er sich spontan entschlossen hätte, auch sein Bild dem KUNSTRAUM Pettneu zu schenken.

Eine Woche nach dem Telefonat kam das Bild unversehrt bei uns im KUNSTRAUM Pettneu an. Wenn das neue Gemeindehaus fertig ist, wird es an prominenter Stelle mit den anderen Bildern von Ernst Platz, die im Besitz des Vereins bzw. der Gemeinde sind, aufgehängt.

Ernst Platz; Pettneu im Regen; 1930; Öl auf Leinwand; 40x60 cm

WERNER ORTMANN

Korschenbroich
Am Mittwoch, 12. Juli 2006, fand im Kunstraum ein festlicher Akt statt: ein langjähriger Sommergast aus Deutschland schenkte der Gemeinde Pettneu Werke eines Pettneuer Künstlers, die er vor Jahrzehnten angekauft hatte. Werner Ortmann aus Korschenbroich in Deutschland lernte bei seinen Pettneu-Aufenthalten den Nachbarn seiner Beherberger, Herta und Roman Kuprian, den Maler und Bildhauer Albert Zangerl kennen. Von diesem erwarb Ortmann Werke dessen verstorbenen Onkels Richard Zangerl: drei Holzreliefs auf Stuhllenen (3 Bilder), ein Wanduhrtürchen mit einem Relief, einen nachmitternächtlichen Zecherjux im Gasthof „Schwarzer Adler" darstellend, an dem Richard, verkleidet als Dorfpolizist, einen späten Gast wegen Überschreitung der Sperrstunde abstrafend, teilgenommen hatte; und als kostbarstes Stück eine Kleinplastik aus dem Jahr 1938: Adolf Hitler als Wildschütz vor einem Wegkreuz, eine ins Holz geschnittene Metapher. (Er hat sich Österreich widerrechtlich angeeignet und dankt nun der „Vorsehung".) Genau betrachtet: ein künstlerischer Akt des Widerstands.

Alfons Lorenz aus Schnann begleitete die Feier mit teils selbt komponierten Stücken auf seiner Zither. Bürgermeister Klaus Zangerl und Vereinsobmann Kurt Tschiderer dankten dem Spender, der über seinen Beweggrund meinte, er wolle diese Sachen „zu warmer Hand" dorthin zurückgeben, wo sie entstanden sind, weil sie in Pettneu in einem sinnvolleren Zusammenhang bewahrt und gezeigt werden können als bei seinen Nachkommen in Deutschland.

Korschenbroich – Pettneu am Arlberg: eine schöne Geschichte
Übrigens: Der international u. a. durch seine Würfelbilder bekannt gewordene Künstler Christian Stock arbeitete die Hitler-Figurine in seine Ausstellung „Pettneu Movie" ein.

CHRISTIAN BEGUELIN

Daillens am Genfer See
2010 wandte sich Christian Beguelin via E-Mail an die Gemeinde Pettneu. Aus dem Nachlass seiner Mutter sei ein Holzrelief des Pettneuer Bildhauers Jakob Alois Gröbner in seinen Besitz gekommen. Dieses wolle er der Gemeinde auf dem Wege einer Schenkung überlassen. An den Verein KUNSTRAUM Pettneu weitergeleitet, wurden mit Christian Beguelin die notwendigen Vereinbarungen getroffen, die schließlich dazu führten, dass das Relief im Sommer 2011 von der Firma Guggenberger in Kramsach abgeholt werden konnte. Dorthin hatta es christian Beguelin gegeben, um für das Grab seiner Mutter auf dem Schwazer Friedhof einen Abguss herstellen zu lassen. Der Akt der Schenkung wurde am 9. November 2011 im Kunstraum durchgeführt. Obmann Kurt Tschiderer begrüßte Corinne und Christian Beguelin. Kulturreferent Mag. Hartwig Röck dankte namens der Gemeinde Pettneu und überreichte ein Pettneu-Buch. Oswald Perktold sprach über Leben und Wirken des Bildhauers Jakob Alois Gröbner. Andi Pirschner begleitete den Abend, der mit einem Essen im Gasthof „Traube" seinen Abschluss fand, musikalisch auf seiner Gitarre.

„Mutter mit Kind", Hozrelief, 24 x 24 cm;
Signatur auf der Rückseite:
„Jakob Alois Gröbner, Bildhauer zu Pettneu"

Daillens – Pettneu am Arlberg: eine schöne Geschichte
Übrigens: Das Relief wurde im Rahmen der Ausstellung „Jakob Alois Gröbner
und sein Urenkel Sepp Zangerl" vom 17. Mai bis 24. Juni 2012 im KUNSTRAUM ausgestellt.

WER EINTRITT IST FREI

Der Kunstraum als Denk- und Begegnungsraum
Natürlich ist jeder Raum unter der Voraussetzung, dass er des Nachdenkens Fähige umschließt, ein solcher. Wenn wir dieses Attribut extra herausstellen, geschieht dies deshalb, weil es von Anfang an unsere Absicht war, auch Veranstaltungen anzubieten, die ein Nachdenken über das Sosein unseres Planeten evozieren. Das klingt jetzt doch ein wenig geschwollen und soll durch die folgende Episode schnell geerdet werden. Eines Tages stellte Elisabeth Perktold die Ankündigungstafel vor den Eingang, wo im Winter die nach St. Anton strebenden Gäste auf den Schibus warten. Ein Mann las das Plakat und sagte, an der Anmerkung WER EINTRITT IST FREI hängenbleibend, erstaunt zu seiner Begleiterin: „Da muss man ja denken!"

AFRIKA – TIROL

Mamadou Ba

2011 wandte sich Lukas Falch in seiner Eigenschaft als Mitglied der Unabhängigen Rechtsberatung der Diakonie / Flüchtlingsdienst in Innsbruck an den Kunstraum Pettneu mit der Anfrage bezüglich einer Ausstellung von Mamadou Ba aus der afrikanischen Sahel-Sahara-Region, der seit Oktober 2009 in Tirol sei und um Asyl angesucht habe. Auch als Beitrag zur Erbringung des Nachweises, dass der junge afrikanischen Künstles sich durch seine künstlerische Arbeit die finanziellen Mittel zur Deckung seiner Bedürfnisse in Österreich erarbeiten könnte. Sofort wurde der im Veranstaltungskalender 2011 als „Verschnaufpause" freigehaltene November zu einem Afrika-Österreich-November. MaBa stellte seine Bilder aus, die unter dem Titel „LE CRI DES IMAGES – Der Schrei der Bilder" das Publikum berühten. Demba Diatta aus Senegal brachte mit Djambafola-Musik noch nie Gehörtes in den Kunstraum. Christine Baur, Abgeordnete der Grünen zum Tiroler Landtag, thematisierte in ihrer Rede die reformbedürftige Asylpolitik in Österreich.

Der Verein Kunstraum Pettneu beschloss in der Vorstandssitzung vom 6. Dezember 2011, Mamadou Ba als Mitglied aufzunehmen und betrieb mit anderen auch dessen Aufnahme in die Tiroler Künstlerschaft. Zudem erging am 10. Februar 2012 ein Brief an die Richterin Dr. Karin Schnitzer-Blaschka am Asylgerichtshof an der Laxenburger Straße in Wien mit dem Ersuchen um einen baldigen positiven Abschluss des Asylverfahrens für Mamadou Ba.

SOLIDARITÄTSAKTION FÜR DEN TIERSCHÜTZER CHRIS MOSER

Chris Moser

Im August 2008 gab es im Kunstraum Pettneu eine Solidaitätsaktion für die Familie des am 21. Mai verhafteten Künstlers und Tierrechtsaktivisten Chris Moser. 49 Künstlerinnen und Künstler aus Tirol stellten Werke zur Verfügung, die zugunsten der Frau und der drei Kinder des inhaftierten Familienvaters verlost wurden. Rechtsanwalt Bernd Haberditzl erläuterte die Verhaftung Mosers nach § 278a StGb. und sagte u.a.: "Ursprünglich als Hilfsmittel gegen die Mafia und andere kriminelle oder terroristische Organisationen gedacht, dient er jetzt offensichtlich dazu, unliebsame Zeitgenossen zur Räson zu bringen. Eine Gruppe von Tierschützern, die vehement gegen Pelze verkaufende Unternehmen Auftritt, wird so zur kriminellen Organisation." Die Abgeordnete zum Tiroler Landtag, Maria Scheiber (Grüne) sagte in ihrer Ansprache unter anderem: „Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, der es bis dato nicht für notwendig befunden hat, sich zu erklären. Das Werfen von Stinkbomben bedeutet Gefängnis, also hätte ich auch schon verhaftet werden müssen."

Am Freitag, 16. März 2012, lud der Verein Kunstraum Pettneu ein weiteres Mal in dieser Angelegenheit ein. Der inzwischen freigesprochene Chris Moser präsentierte sein im Kyrene Verlag erschienenes Buch „Die Kunst Widerstand zu leisten". Univ.-Prof. Dr. Max Siller sagte: „Den Künstler Chris Moser brachten auch Gefängnis und Gerichtssaal nicht zum Verstummen. Das Buch ist das Ergebnis seines Schaffens in der Periode der staatlichen Repression, der Versuch, schwer traumatisierende persönliche Erlebnisse durch Kunst aufzuarbeiten: Bilder und Zeichnungen sowie tagebuchartige Aufzeichnungen aus der Gefangenschaft und persönliche Mitschriften aus jener prozessoiden Monsterveranstaltung, insgesamt also eine künstlerisch und historisch bedeutsame Dokumentation jenes Justizskandals, der das Ansehen von Polizei und Justiz in Österreich so schwer beschädigt hat."